
Wohl bekomms? – Alkohol in (der) Gesellschaft
Social Drinking ist „in“. Damit ist etwa das Gläschen Sekt gemeint, um mit Kollegen oder Freunden auf ein freudiges Ereignis anzustoßen. Oft werden dann auch tagsüber schon mal zwei oder drei Gläschen daraus. Die meisten Menschen unterschätzen die Alkoholmenge, die sie konsumieren, und die damit verbundenen Gefahren. Man trinkt ja nicht alleine.
Schnell konsumiert man Mengen, bei denen die Leber Schaden nimmt. Entscheidet man sich aber für O-Saft statt für Sekt, erntet man manchen kritischen Blick. Jeder, der schon mal Samstagnacht in einer Kneipe eine Apfelschorle bestellt hat, weiß, wovon ich spreche. Kein Wunder, trinkt der durchschnittliche Deutsche doch fast zehn Liter reinen Alkohols pro Jahr. Deutschland belegt damit international einen Spitzenplatz. Trinken gehört bei uns also immer noch zum guten Ton.
Akademiker trinken mehr
Hierzulande sind rund 1,3 Millionen Menschen alkoholabhängig, etwa 9,5 Millionen Menschen konsumieren Alkohol in riskanter Form. Jedes Jahr sterben rund 20.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholmissbrauchs.
Dennoch wird Hochprozentiges mit Lebensfreude und Attraktivität assoziiert, man wird entspannter und lockerer. Wer jetzt glaubt, dass das Trinkverhalten von Einkommen und Bildung abhängt, liegt völlig richtig. Allerdings anders, als man vielleicht denkt: Studien belegen, dass vor allem Akademiker und Besserverdiener zum übermäßigen sozialen Trinken neigen. Sie wollen zeigen, dass sie sich die teure Flasche Wein leisten können.
Insbesondere junge Frauen haben hier in den vergangenen Jahren deutlich aufgeholt. Bei den vermeintlich „üblichen Verdächtigen“, also weniger gut gebildeten und einkommensschwachen Menschen, nimmt der Alkoholkonsum hingegen ab.
Lauter kleine Schritte
Ein Bier oder Glas Wein ist zu verkraften, bei größeren Mengen steigt jedoch das Risiko für Lebererkrankungen. Die Leber ist wie ein Puffer, in dem alle Giftstoffe, die wir aufnehmen, verstoffwechselt werden. Alkohol erzeugt Stress in den Leberzellen. Enzyme wandeln den Alkohol in aggressive Restsubstanzen um, durch die Leberzellen absterben können.
Das kann man sich wie einen Schnitt in der Haut vorstellen – je mehr tote Zellen, desto größer die „Wunde“. Wenn solche Wunden durch chronischen Alkoholkonsum immer wieder entstehen, drohen ernsthafte Schäden: Fettleber, Hepatitis oder Zirrhose. Darüber hinaus steigt das Risiko für Krebs.
Öfter mal eine Apfelschorle
Keine Sorge, ich will Ihnen nichts verbieten und auch keine Angst machen. Auch ich trinke gerne mal ein Glas Wein zu einem guten Essen. Aber ebenso gerne mache ich auch mal ein, zwei Wochen Pause und bestelle mir eine Apfelschorle. Probieren Sie’s doch auch mal, Ihre Leber wird es Ihnen danken.
Prof. Dr. rer. nat. Steven Dooley, 58, ist Leiter der Abteilung Molekulare Hepatologie – Alhoholfolgeerkrankungen der II. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Mannheim. Er ist außerdem Vorstand der Stiftung Biomedizinische Alkoholforschung und hat zahlreiche wissenschaftliche Bücher und Artikel zum Thema Alkohol veröffentlicht.
Zwischen Gewohnheit und Sucht liegt oft nur ein schmaler Grat. Weitere Informationen zum Thema Sucht, wie beispielsweise Nikotin- oder Internetsucht, finden Sie hier.