
„Unser Wasser ist legendär gut“
Mit neun Wasserwerken und fast 8.000 Kilometern Leitungen beliefern die Berliner Wasserbetriebe die Millionenmetropole mit Trinkwasser. Der Vorstandsvorsitzende Jörg Simon erzählt, worauf es ankommt.Â
Herr Simon, „Berlin ist aus dem Kahn gebaut“, sagt der Volksmund – eine Stadt der Flüsse, Kanäle und Seen. Wie steht es in der Hauptstadt um das Trinkwasser?
Die Berliner können sich über herÂvorragende Trinkwasserqualität freuÂen. Unser Wasser ist legendär gut! Das Berliner Trinkwasser stammt ausÂschließlich aus Grundwasservorräten unter der Stadt, aus einer Tiefe zwiÂschen 50 und 170 Metern. Das Wasser wird durch Sand und GesteinsschichÂten auf natürliche Art und Weise geÂreinigt. Wir haben dafür ideale geoloÂgische Bedingungen und wir können das Wasser naturnah aufbereiten. Das heißt, wir versetzen es lediglich mit Sauerstoff und filtern Eisen und Mangan heraus. Der Gewässer- und Naturschutz ist für unser TrinkwasÂser extrem wichtig. Ein Viertel der Stadtfläche Berlins besteht deshalb aus Wasserschutzgebieten.
Welche Herausforderungen hat Berlin beim Gewässerschutz?
Eine große Herausforderung in BerÂlin ist der geringe Wasserdurchfluss von Spree und Havel. Vor allem in den Sommermonaten führt die Spree manchmal nur zehn Kubikmeter Wasser in der Sekunde, im Rhein sind es 1.000 Kubikmeter. Die Flüsse wirken an vielen Stellen größer, als sie eigentlich sind, weil Schleusen sie aufstauen. In Wahrheit führen sie aber relativ wenig Wasser und flieÂßen mangels Gefälle sehr langsam. Das macht es schwieriger, die Flüsse sauber zu halten. Wir wollen daher den ganzen Wasserkreislauf sicherer machen und das Wasser, das wir aus den Kläranlagen zurück in die Spree leiten, noch besser aufbereiten. DesÂhalb sind wir gerade dabei, alle sechs Klärwerke Berlins mit einer weiteren Reinigungsstufe auszustatten.

In großen Teilen Berlins gibt es eine Mischkanalisation, in der Schmutz- und Regenwasser zusammen abgeleitet werden. © Joachim Donath
Welche wichtigen Infrastruktur-Projekte stehen zurzeit an?
In großen Teilen Berlins haben wir eine sogenannte Mischkanalisation, in der Schmutz- und Regenwasser zuÂsammen abgeleitet werden. Wenn es stark regnet, besteht die Gefahr, dass die Kanalisation überläuft und das Schmutzwasser in die Flüsse und KaÂnäle fließt. Das wollen wir in Zukunft verhindern und bauen deshalb zuÂsätzliche Stauräume und Regenbecken, in denen das Abwasser „zwischengeÂparkt“, gereinigt und dann abgeleitet werden kann. Dieses sogenannte GeÂwässergüteprogramm soll bis 2020 abÂgeschlossen sein, dann verfügt Berlin über rund 300.000 Kubikmeter SpeiÂcherräume – rund 75 Prozent des ProÂjekts haben wir schon umgesetzt.
Wasser ist elementar. Es begleitet uns durch den ganzen Tag. Damit kann kein Produkt mithalten.
In Deutschland sind die Gemeinden für die Trinkwasserversorgung zuständig. Die Wasserrichtlinien kommen jedoch überwiegend aus Brüssel. Gibt es dabei Interessenskonflikte?
EU-Vorgaben sind ja nicht zwangsÂläufig schlecht! Die EU-Richtlinien beÂwirken sehr viel Positives im Hinblick auf unser Trinkwasser. Insbesondere die Europäische WasserrahmenrichtÂlinie, die dafür sorgt, dass Gewässer in ganz Europa nachhaltiger und umweltschonender genutzt werden. Sie vereinheitlicht beispielsweise die Abwasserentsorgung. In Deutschland allein gibt es rund 6.000 kommunale Entsorger, die ihr Abwasser nach unÂterschiedlichen Kriterien aufbereiten und in die Flüsse leiten. Die EU-RichtÂlinie hilft dabei, Gewässer ganzheitlich zu betrachten und den Umweltschutz zu verbessern. Sie hat gewissermaßen das große Ganze im Blick – und davon profitieren auch wir.

Insgesamt sechs Klärwerke gibt es in Berlin. Hier im Bild: das Klärwerk Ruhleben im Westen der Stadt. © Joachim Donath
Deutschland hat außer Dänemark die höchsten Wasserpreise in der EU. Woran liegt das?
Der relativ hohe Preis liegt in DeutschÂland vor allem an der Finanzierung. Die Wasserwirtschaft wird hierzuÂlande nicht subventioniert, anders als in anderen europäischen Ländern wie Spanien oder Italien. Außerdem sind die deutschen Standards sehr hoch und die Wassernetze in einem guten Zustand. Deshalb haben wir in Deutschland auch nur geringe WasÂserverluste von etwa acht Prozent. Zum Vergleich: In Frankreich sind es 25 Prozent, in Großbritannien sogar 30 Prozent. Ich möchte außerdem den Begriff „teuer“ relativieren. Im Schnitt nutzt eine Person in Deutschland 110 Liter Wasser am Tag zum Kochen, Waschen, Putzen und so weiter. Das kostet im Jahr rund 180 Euro oder 50 Cent am Tag. Für eine zuverlässige Wasserversorgung in 1-a-Qualität finÂde ich das nicht zu viel.
Welche energiepolitischen Ziele verfolgen die Berliner Wasserbetriebe langfristig?
Unser langfristiges klimapolitisches Ziel ist es ganz klar, klimaneutral zu werden – genauso wie das gesamte Land Berlin. Die Berliner WasserbeÂtriebe haben für ihre Kernaufgaben der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung einen EnergieÂbedarf, der so hoch ist wie der einer kompletten Stadt mit circa 270.000 EinÂwohnern – das entspricht ungefähr der Größe Wiesbadens. Wir versuchen daher möglichst viel Energie durch die Vergärung von Klärschlamm zu gewinnen. Die Biogase, die dabei entÂstehen, vor allem Methan, verbrennen wir in Blockheizkraftwerken. Auch der Ausbau von Solarenergie soll zur Klimaneutralität beitragen. Die BerliÂner Wasserbetriebe hatten lange Zeit die größte Solaranlage Berlins. Aber es geht hier nicht um Superlative. Wichtig ist, dass wir die Energie, die wir benötigen, erneuerbar und regioÂnal produzieren.

Naturnahe Aufbereitung: Eisen und Mangan werden aus dem Trinkwasser herausgefiltert, Sauerstoff zugefügt – wie hier im Wasserwerk Tegel. © Joachim Donath
Heute nimmt uns die Technik das WasserÂsparen ab. Es bringt nicht viel, beim Duschen das Wasser abzustellen.
Überall bekommt man Tipps zum WasserÂsparen. Wie sinnvoll ist das im Hinblick auf Leitungen und Infrastruktur?
Man soll natürlich kein Wasser verÂschwenden. Wir sind aber mittlerÂweile an einem Punkt angelangt, wo uns die Technik das Wassersparen abnimmt. Moderne Geschirrspüler und Waschmaschinen benötigen viel weniger Wasser als noch vor zwanzig Jahren. Deshalb sinkt der WasserverÂbrauch pro Kopf auch kontinuierlich. Das hat zur Folge, dass die KanalisaÂtion teilweise zusätzlich durchspült werden muss, weil sie sonst verstopft oder stinkt. Wassersparen beim DuÂschen bringt also nicht viel. Wichtig ist eher, das Wasser möglichst sauber zu halten und etwa aus der Toilette keine Müllkippe zu machen.
Herr Simon, was bedeutet Wasser für Sie persönlich?
Wasser ist elementar. Damit arbeiÂten zu dürfen ist ein großes Glück und eine Herausforderung zugleich. Denn mit unserer Arbeit sichern wir nicht nur den Lebenskomfort der Menschen und wichtige Funktionen der Stadt, wir sorgen auch dafür, dass künftigen Generationen eine gute Ressource zur Verfügung steht. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen – Wasser begleitet uns durch den ganÂzen Tag. Damit kann kein Produkt mithalten. Das motiviert ungemein.
Die Berliner Wasserbetriebe versorgen mehr als vier Millionen Menschen in Berlin und Brandenburg mit Trinkwasser und sind damit das größte städtische Wasserversorgungsunternehmen Deutschlands. Weitere Informationen gibt es auf deren Homepage: bwb.de