
„Sixpack? Brauchst du nicht!“
Mark Lauren ist immer wieder an seine körperlichen Grenzen gegangen und hat mit dieser Erfahrung eines der erfolgreichsten Trainingsprogramme der Welt entwickelt. Hier verrät er, was ihn motiviert.
Mark, du warst Ausbilder der Special Operation Forces. Was hast du für Erfahrungen in dieser Zeit gemacht?
In meiner Zeit beim US-Militär habe ich vor allem gelernt, dass mehr nicht unbedingt besser ist. Das Training der Elitesoldaten war extrem hart. Fast 90 Prozent der Rekruten kamen nicht durch. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brauchte die Armee jedoch mehr gut ausgebildete Leute. Es war also nicht sehr hilfreich, dass nur jeder Zehnte die Ausbildung schaffte. Wir mussten unsere Trainingsmethoden grundlegend ändern. Aus „mehr ist besser“ wurde schließlich „genug ist genug“. Es bringt nichts, über eine gewisse Belastung hinaus zu trainieren. Der Körper braucht auch Erholung.
Welche besonderen Fitnessanforderungen gab es für die Ausbildung von Spezialkräften?
Beim Training von Elitesoldaten sollte man allzu spezialisiertes Training vermeiden. Es ist sehr wichtig, körperliche Fitness möglichst breit zu fä-chern. Ich wusste nie genau, worauf sich die Jungs im Einzelnen vorbereitet haben – ob sie Kampfschwimmer oder Fallschirmspringer waren, ob sie lange Gepäckmärsche vor sich hatten oder für einen Einsatz in Afghanistan trainierten. Für alle ist es wichtig, ideale Bewegungsabläufe und eine gute Körperhaltung zu trainieren, um möglichst wenig Energie zu verschwenden und unnötige Verletzungen zu vermeiden.
Was hat dich motiviert, deine Erfahrungen beim Militär auf den Gesundheits- und Fitnessmarkt zu übertragen?
Seit meiner Jugend liebe ich Fitness und Bodybuilding! Darüber wollte ich ein Buch schreiben. Es ging mir nicht darum, Karriere zu machen, ich wollte einfach meine Erfahrungen teilen. Zusammen mit Joshua Clark entstand 2005 die Idee, das Buch „Fit ohne Geräte“ zu schreiben. Josh arbeitete als Verleger und Autor in New Orleans. Das war kurz, nachdem Hurrikan Katrina große Teile der Stadt zerstört hatte. Josh konnte nicht in sein Fitnessstudio und hat dann nur mit meinen Übungen trainiert – und war innerhalb kurzer Zeit in Topform! Das Konzept stand daraufhin schnell fest. Einige der Fotos für „Fit ohne Geräte“ haben wir im French Quarter, der Altstadt von New Orleans, aufgenommen. Das Viertel blieb zum Glück weitestgehend von der Katastrophe verschont. Wenn man aber genau hinsieht, erkennt man auf den Fotos, wie in den Räumen der Putz von den Wänden bröckelt.
Was bedeutet Fitness für dich persönlich?
In der Natur ist Fitness die Fähigkeit, zu überleben. Im Alltag bedeutet das für mich, sich gut zu bewegen und gewöhnliche Herausforderungen ohne Mühe bewältigen zu können: etwa sein Kind aus dem Auto heben, zum Zug rennen oder einem Freund beim Umzug helfen. Fitness bedeutet für mich, durch Bewegungsqualität stark zu sein und sich in seinem Körper wohl zu fühlen.
Interessanterweise ist dein Fitnesskonzept in Deutschland erfolgreicher als in den USA. Woran liegt das?
Die Menschen in den USA lieben Geräte und technische Spielereien. Die USA sind eine Massenkonsumgesellschaft, die mit wahnsinnig viel Fehlinformationen aus der Fitnessindustrie bombardiert wird. Das ist ein Milliardengeschäft und den Menschen gefällt das Versprechen auf schnelle Lösungen. Da ist es einfach, die Leute glauben zu lassen, was sie glauben wollen. Die Deutschen sind da realistischer, effizienter – und sparsamer (lacht). Sie mögen unkomplizierte Übungen, die man immer und überall machen kann; Übungen, mit denen man gesund und fit bleibt, ohne auf Fitnessstudios, Trainer oder technische Geräte angewiesen zu sein.
Du bist bereits sehr erfolgreich. Welche beruflichen Ziele hast du noch?
Ich interessiere mich sehr für Technik. Athleten werden nicht unbedingt besser, weil die Trainingsmethoden ausgeklügelter werden, sondern weil die Übungsprogramme besser an ihre individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Ich würde deshalb gerne in Zukunft mehr maßgeschneiderte Trainingslösungen anbieten, beispielsweise über Apps oder Smartwatches. Dabei werde ich mich an den gleichen Methoden orientieren, die die besten Kraft- und Konditionstrainer anwenden, um Spitzenathleten zu trainieren.
Gibt es auch Wünsche jenseits des Sports, die du dir in deinem Leben noch erfüllen möchtest?
Als Coach und Autor war ich in den letzten Jahren ständig unterwegs und habe meine ganze Energie in meine Arbeit gesteckt. Mein Privatleben kam da etwas zu kurz. Ich möchte es in Zukunft ein bisschen ruhiger angehen lassen und vielleicht eine Familie gründen.
Eine „ketzerische“ Frage zum Schluss: Kann man auch als übergewichtiger, rauchender Mensch zufrieden sein? Müssen wir uns dem gesellschaftlichen Optimierungsdruck unterwerfen?
Du brauchst keinen Sixpack, um gesund und glücklich zu sein. Mein Motto ist „Bewegung ist die beste Medizin“. Jeder sollte sich nach seinen Möglichkeiten und seinen individuellen Trainingszielen bewegen. Selbstverständlich können auch Menschen, die keinen Sport machen, glücklich und zufrieden sein. Aber mit etwas Bewegung fühlen sie sich auf jeden Fall körperlich besser. Ich glaube, dass unser Wohlbefinden von unserer Einstellung zu einer bestimmten Situation abhängt. Wir haben die Freiheit, unsere Einstellungen jederzeit zu ändern. Also ja, wir können glücklich sein ungeachtet unseres körperlichen Zustandes. Und das sollten wir auch!

ZUR PERSON Mark Lauren (44) wurde in den USA geboren, hat eine deutsche Mutter und einen philippinischen Vater. Sein Buch „Fit ohne Geräte“ ist ein internationaler Bestseller, der Otto Normalverbraucher zeigt, wie er mit einfachen, aber effektiven Übungen in Form bleibt. Als Rekordhalter im militärischen Apnoe-Tauchen und ehemaliger Champion im Thaiboxen weiß Mark, wovon er spricht. © Jorge Alvarez