
Ein guter Fang – die Maritime Müllabfuhr
140 Tonnen Plastikmüll treiben derzeit in den Ozeanen und jedes Jahr kommen acht Millionen Tonnen dazu. Mit verheerenden Folgen: Laut einer Prognose der Organisation für Natur- und Artenschutz (WWF) wird bis 2050 genau so viel Plastik in den Meeren schwimmen wie Fische. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos – das Bewusstsein dafür reift langsam. Günther Bonin gehört zu den Menschen, die handeln. 2011 hat er den gemeinnützigen Verein One Earth – One Ocean e.V. (OEOO) gegründet, um die Ozeane weltweit von Plastikmüll, Öl und Chemikalien zu befreien.
Plastikmüll in Energie umwandeln
Eines der wichtigsten Projekte des Vereins ist die sogenannte „Maritime Müllabfuhr“, die Plastikmüll aus dem Wasser fischt und anschließend zu Öl verarbeitet. Dafür hat das OEOO-Team ein ausgeklügeltes System entwickelt: „Wir wollen Katamarane losschicken, die zwischen ihren Rümpfen Fangnetze gespannt haben und Plastikabfall aus dem Wasser fischen“, erklärt Claudia Klein, Pressesprecherin von OEOO. Bereits seit 2012 gehen die kleinen „SeeHamster“ nach diesem Prinzip in Binnengewässern auf Plastikfang. Seit 2016 ist auch der Prototyp eines größeren Katamarans, die sogenannte „SeeKuh“, auf dem Meer im Einsatz.

© OEOO
Pro Netz sammelt die „SeeKuh“ rund zwei Tonnen Plastikmüll, die gegenwärtig noch an Land gebracht werden. Für die nahe Zukunft plant der Verein, die so gewonnenen Kunststoffe zu verölen. Das funktioniert so: Ungeeignete oder recyclebare Kunststoffe werden aussortiert, der Rest getrocknet, gereinigt und zerkleinert. „Die Kunststoffpartikel werden erhitzt und verdampfen im nächsten Schritt zu Gas. Anschließend wird das Gasgemisch kontrolliert abgekühlt und dadurch wieder verflüssigt“, erläutert Klein den Verölungsprozess. Auf diese Weise können aus einer Tonne Plastik rund 900 Liter schwefelfreies Heizöl beziehungsweise Diesel gewonnen werden, den OEOO wiederum als Kraftstoff für die Boote nutzen wird. Diese benötigen knapp 20 Prozent des gewonnenen Treibstoffs. Den Rest möchte der Verein direkt an die Anrainerstaaten verkaufen, um den Erlös in die Weiterentwicklung des Projekts zu stecken – denn „SeeHamster“ und „SeeKuh“ sind erst der Anfang.
Weltweit im Einsatz
Die „Maritime Müllabfuhr“ soll überall dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten gebraucht wird – zum Beispiel in Südostasien und in Megastädten wie Hongkong. Dort war die „SeeKuh“ zuletzt von Januar bis Juli im Hafenbecken auf Müllfang. Ab Herbst ist sie dann wieder in heimischen Gewässern, nämlich der Ostsee, unterwegs. Auch in Kambodscha ist aktuell ein „SeeHamster“ im Einsatz, um den stark verschmutzten Sangkae River in Battambang zu reinigen. Mit großem Erfolg: Das Projekt wurde noch einmal verlängert.

Die SeeKuh auf Müllfang im Hafenbecken von Hongkong. © OEOO
Große Pläne
In Zukunft sollen „SeeFarmer“ und „SeeElefanten“ die Flotte vervollständigen. Beim „SeeElefanten“ handelt es sich um einen hochseetauglichen Frachter, auf dem der Plastikmüll künftig direkt auf hoher See verölt werden soll. Die „SeeFarmer“ sammeln den Müll von den „SeeKühen“ ein und bringen ihn anschließend zum Frachter. „So schaffen wir eine mobile Tankstelle direkt auf dem Meer. Damit hätten auch andere Schiffe die Möglichkeit, ihren Kraftstoff direkt vom SeeElefanten zu beziehen“, erklärt Klein.
Bereits in wenigen Jahren sollen die SeeKühe der „Maritimen Müllabfuhr“ außerdem komplett autark mit Wind- und Solarenergie angetrieben werden und in kleineren Verbünden den Plastikmüll aus den Gewässern einsammeln. Die vollen Netze sollen dann mit Peilsendern und Bojen abgelegt werden, sodass die Crews auf dem SeeFarmer sie einsammeln und zu den SeeElefanten bringen können.
Bevor die Vision der SeeElefanten Realität wird, muss der Verein die hohen Entwicklungskosten stemmen. „Momentan arbeiten wir an den einzelnen Modulen wie beispielsweise den Sortier-, Trocknungs- oder Verölungsanlagen. Denn jeder SeeElefant sollte exakt auf das jeweilige Einsatzgebiete sowie die Art des Plastiks vor Ort abgestimmt sein. Nach der Entwicklung aller Module geht es dann an den Kauf und Umbau des ersten Frachters“, so Klein. Allein für die Umbauarbeiten – die Entwicklungskosten nicht inbegriffen – rechnet der Verein mit Ausgaben in Höhe von mindestens zwölf Millionen Euro. Auch die unvorhersehbare Zusammensetzung des aufgefischten Materials und das darin enthaltene Wasser stellen technisch noch große Herausforderungen dar. Doch mehrere Ingenieure arbeiten daran und das Team ist zuversichtlich, denn ihre Idee hat großes Potenzial: „Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sagenhaft schön und wie bedroht unsere Welt ist. Mit der Maritimen Müllabfuhr leisten wir einen wichtigen Beitrag, um sie für die nächsten Generationen ebenso lebenswert zu machen“, so Claudia Klein.
Plastikmüll vermeiden
Anstatt den Plastikmüll aus dem Meer zu fischen, ist es natürlich besser, ihn erst gar nicht zu produzieren. Wir haben hier fünf Tipps zusammengestellt, wie Sie im Alltag weniger Plastik verbrauchen.
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