
War früher alles besser?
Nachhaltig leben habe ich von klein auf gelernt: draußen, zwischen schiefen Gurken, rostigen Gießkannen und freilaufenden Hühnern. Ich bin ein typisches Landkind. Meine Oma und Mutter lebten „zero waste“, „do it yourself“ und „slow cooking“ schon, bevor das im Trend war. Verpackte Lebensmittel gab es fast nie, alte Kleider wurden als Putzlappen wiederverwendet – heute ist das „Upcycling“ – und Kaputtgegangenes repariert anstatt entsorgt. Unser Supermarkt? Drei Kühltruhen und Regale, voll mit eingekochten Lebensmitteln, im Keller.
Zwei Seiten
Fast Food, Fast Fashion, Fast … Fail? Während die einen nach dem „Höher-schneller-weiter- Prinzip“ leben, haben andere die Qualität der Entschleunigung wiederentdeckt: zurück zu den Wurzeln. Was in der Kindheit oft Alltag war, bedeutet heute für viele Luxus und Lebensqualität: sich bewusst für Dinge Zeit nehmen und auch mal was selber machen. Bevor ich jetzt aber ganz in den „Früher war alles besser“-Modus verfalle: Ich schätze unsere heutigen Möglichkeiten. Beispielsweise macht mir mein Instagram-Kanal sehr viel Spaß. Was ich da genau mache, hat meine Mutter immer noch nicht ganz verstanden. Lebensqualität hat eben viele Facetten – und was dazugehört, entscheidet jeder selbst. Für mich gehört der umsichtige Umgang mit unseren Ressourcen dazu. Lebensqualität heißt deswegen Achtsamkeit, wertschätzendes Genießen und regional, nachhaltig und unter fairen Bedingungen produzierte Produkte.
Inspirieren statt Missionieren
Fürs Studium gings in die Stadt: Von 70 auf 70.000 Einwohner ist für ein Landkind wie mich ein ganz ordentlicher Sprung und ein anderes Leben als bisher. Der gut gefüllte Keller war in weiter Ferne und selbst kochen angesagt. Ich wollte weiter nachhaltig leben – habe aber schnell gemerkt, dass das als junge Studentin gar nicht so leicht ist. Alles auf einmal geht ebenso wenig, wie einfach mein Elternhaus zu kopieren. Deswegen Schritt für Schritt. Auf Instagram erzähle ich von meinen Erfahrungen und bekomme dort auch immer wieder neue Ideen. Ich will niemanden bevormunden – allein schon, weil auch ich nicht perfekt bin. Deswegen zeige ich Fakten auf, wecke Neugier für alternative Lösungen und versuche zu inspirieren. Ganz nach dem Motto: Jeder Schritt zählt.
Einfach mal anfangen
Kleine Veränderungen lassen sich oft leichter umsetzen. Mal die Plastiktüte weglassen oder der Karotte direkt ins krumme Angesicht schauen? Nachhaltig leben kann auch sehr viel Spaß machen. Wichtig ist Bewusstsein und das richtige Maß – und eine Portion Neugier und Lust auf Neues. Lassen Sie sich einfach inspirieren: von Großeltern, Freunden oder im Internet. Jeder Trend kommt irgendwann wieder – und ich freu mich darauf, dass wir neu entdecken, wie viel Gutes es vor unserer Haustür gibt.
Tomaten im Winter? Lieber nicht. Es lohnt sich, bis Juni zu warten, denn erst dann startet in Deutschland die Tomatensaison. Das und vieles mehr lernen die Kinder bei der Kinder-Ackerdemie.
Viktoria Heyn (26) ist gelernte Erzieherin, Studentin der sozialen Arbeit und Autorin. Auf ihrem Instagram-Kanal naturlandkind sammelt sie ihre Erfahrungen zum nachhaltigen Leben. In ihrem Ratgeber gibt Heyn praktische Tipps rund um das Thema Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen.© Franciska Heyn