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© Steffen Müller-Klenk

„Ich trinke keinen Zaubertrank“

Felix Klieser gehört zu den gefragtesten Solo-Hornisten Deutschlands. Ohne Arme geboren, bedient er sein Instrument mit den Füßen.

Herr Klieser, was mögen Sie besonders an Ihrem Instrument?
Im Gegensatz zu klassischen Virtuosen-Instrumenten wie Klavier oder Geige, die stark auf Technik abzielen, ist das Horn ein eher emotionales und farbintensives Instrument. Es ist daher sowohl in der romantischen Musik als auch in der Hollywood-Filmmusik sehr beliebt. Robert Schumann nannte das Horn sogar die „Seele des Orchesters“. Man kann mit dem Horn eine unglaublich große Bandbreite an Gefühlen ausdrücken. Das hat mich seit meiner Jugend fasziniert.

Sie bedienen die Ventile des Horns mit den Füßen. Inwieweit beeinflusst Ihre Spielart den Klang des Instruments?
Es sind die Lippen, die den Ton produzieren. Das Instrument verstärkt den Klang nur. Mit meinen Zehen betätige ich die Ventile, die aber nichts anderes machen, als den Luftstrom im Horn zu verlängern beziehungsweise zu verkürzen. Damit kann ich keine einzelnen Töne verändern, sondern nur die Klangregister. Die Betätigung der Ventile ist nicht die besondere Herausforderung beim Hornspielen. Stellen Sie sich ein Klavier vor: Ob man auf eine Klaviertaste mit dem Finger oder mit der Nase drückt, macht letztlich auch keinen großen Unterschied.

Sie haben bereits mit großen internationalen Musikstars wie Sting und Sir Simon Rattle zusammengearbeitet. Wie haben Sie diese Zusammenarbeit erlebt?
Die Leute denken oft, dass eine berühmte Person ein anderer Mensch ist. Aber das ist natürlich nicht der Fall. Auch Sting und Simon Rattle sind Menschen, die ganz normal ticken: Sie proben, haben ihre eigenen Sorgen und sogar Lampenfieber. Diese Begegnungen haben mich menschlich nicht besonders beeindruckt. Umgekehrt habe ich aber schon oft erlebt, dass man mit Menschen zusammenarbeitet, die völlig unbekannt sind und die mir wirklich imponiert haben. Es hängt immer von der Person ab, nicht vom Namen.

Was waren die bisher schönsten Momente Ihrer musikalischen Karriere?
Oftmals sind die Veranstaltungen, die nach außen spektakulär wirken, für mich selbst gar nicht so aufregend. Doch dann spielt man auf einem kleinen Festival und trifft dort auf sehr engagierte und leidenschaftliche Menschen. Das kann für mich viel spannender sein, als in einem Saal vor 5.000 Leuten zu spielen. Es ist immer toll, wenn Menschen begeisterungsfähig sind und etwas auf die Beine stellen wollen. Die besten Konzerte finden nicht unbedingt auf den größten Bühnen statt.

Ihr Spiel mit den Füßen erfordert eine gewisse Gelenkigkeit. Wie bereiten Sie sich auf Konzerte vor?
Die Frage gebe ich gleich zurück: Ich sehe, Ihre Finger sind auch wahnsinnig gelenkig. Machen Sie besondere Dehnübungen, um Ihren Stift durch die Finger zu drehen? Sehen Sie! Ich auch nicht. Das sieht vielleicht von außen spektakulär aus, aber für mich ist meine Situation Normalität. Ich selbst empfinde das Spiel mit den Füßen nicht als ungewöhnlich, weil es täglich passiert. Es ist einfach so und es funktioniert gut. Ich trinke keinen Zaubertrank (lacht). Ich übe fleißig und arbeite hart wie jeder andere professionelle Musiker auch. Ich versuche, mindestens vier Stunden am Tag mit meinem Instrument zu verbringen.

Ihr Publikum ist meistens deutlich älter als Sie selbst. Wie ließe sich das ändern?
Ich komme gerade aus Oslo und nach dem Konzert mit dem norwegischen Kammerorchester gab es Hotdogs. Jeder, der eine Eintrittskarte hatte, bekam etwas zu essen. Das Konzert war rappelvoll, es kamen viele junge Leute und alle waren begeistert. Nicht, dass Hotdogs die Klassikwelt retten, aber ich denke, es ist wichtig, die strengen Konventionen und Hierarchien etwas aufzubrechen. Ich sehe mich einfach als 25-Jährigen, der Konzerte spielt. In Asien zum Beispiel ist das ganz anders: Da zieht die klassische Musik vor allem junge Menschen ins Konzert und die Alten sind eher skeptisch.

Ihre Arbeit wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und Sie haben als Künstler schon in jungen Jahren viel erreicht. Welche musikalischen und beruflichen Ziele haben Sie sich noch gesteckt?
Ich möchte mich vor allem auf die Musik konzentrieren und mir meine Leidenschaft bewahren. Was sich darum herum noch entwickelt, wird sich zeigen. Man kann nicht sagen, ich möchte genau zu diesem Zeitpunkt mit diesem Orchester oder Dirigenten in diesem oder jenem Konzerthaus spielen. Musik ist kein Sport, bei dem ich sagen kann, wenn ich die 100 Meter unter zehn Sekunden laufe, dann qualifiziere ich mich für einen bestimmten Wettkampf. So funktioniert die Musikwelt nicht. Momentan genieße ich einfach das, was ich mache.

© Maike Helbig

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