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Zwei gerahmte Bilder hängen an einer blau-weiß-gestreiften Tapete. Das linke Bild ist eine Schwarz-Weiß-Aufnahme eines jungen Ehepaares, das andere Bild zeigt das Ehepaar 60 jahre später.Ein glückliches Ehepaar – früher wie heute. © jodo-foto, Jörg Donecker (Pressefoto); GettyImages/jayk7, Thodsapol Thongdeekhieo/EyeEm

Bilder einer großen Liebe

Das Jahr 1954 ist voll ereignisreicher Momente. Theodor Heuss wird als Bundespräsident wiedergewählt, ein junger Elvis Presley nimmt seine erste Platte auf, in der Schweiz gelingt der deutschen Fußballnationalmannschaft das Wunder von Bern.

Auch in Karlsruhe spielt sich Bedeutsames ab – was man auf den ersten Blick allerdings gar nicht erkennt: Emma Wöhrle, Inhaberin eines Friseursalons, entschließt sich, zwei ihrer Ladenräume renovieren zu lassen. Dafür beauftragt sie den Malerbetrieb Lang. Beim Salon wie beim Malerbetrieb helfen auch die Kinder mit: die 18-jährige Friseurin Renate Wöhrle und der 17-jährige Malergeselle Karl-Heinz Lang*. Sie sind sich zwar vorher schon gelegentlich in der Kirche über den Weg gelaufen, kennen sich aber kaum.

Während der Renovierung lernen sie sich besser kennen, reden viel miteinander, lachen. Auf Neudeutsch: Sie flirten. Die gegenseitige Sympathie wächst von Tag zu Tag und wird so groß, dass Karl-Heinz Lang zunehmend mutiger wird: „Anfangs dachte ich: Diese junge Frau will doch bestimmt nichts mit einem schüchternen 17-Jährigen zu tun haben“, erinnert sich Karl-Heinz Lang. „Den Mut zum ersten Kuss fasste ich dann doch – auf einem Volksfest, unter dem Dach einer Raupenbahn!“ Heute, fast 67 Jahre später, sind die beiden immer noch zusammen und wichtiger noch: glücklich miteinander.

1960 ≠ 2021

Dass eine so glückliche und langanhaltende Beziehung keine Selbstverständlichkeit mehr ist, zeigt ein Blick in die Statistik: In den vergangenen Jahrzehnten ist die Scheidungsquote in Deutschland rasant gestiegen. 1960 lag sie bei etwa zehn Prozent, das heißt: Auf 100 geschlossene Ehen in diesem Jahr kamen zehn Scheidungen.
Nach einem Hoch Mitte der 2000er Jahre hat sie sich mittlerweile bei rund 35 Prozent eingependelt. Warum dieser Anstieg? Sind wir unglücklicher in unseren Beziehungen? „Das denke ich nicht“, sagt Kurt Hahlweg, Psychologe und Professor an der Technischen Universität Braunschweig. Er forscht seit rund 40 Jahren rund ums Thema Partnerschaft.

„Es hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einfach formal sehr viel verändert. Allein schon die Frage ‚Wollen wir lebenslang zusammenbleiben?‘ hat heute eine ganz andere Bedeutung als in der Vergangenheit.
Die Lebenserwartung um das Jahr 1900 lag bei rund 50 Jahren. Lebenslang zusammenbleiben hieß damals: etwa 30 Jahre Seite an Seite zu stehen.“ Kriselte es beispielsweise nach 25 Jahren, bissen viele in den sauren Apfel. Heute liegt die Lebenserwartung jedoch bei mehr als 80 Jahren – stetig steigend. Die Lebenszeit, die man seinem Partner oder seiner Partnerin verspricht, liegt damit bei 50 bis 60 Jahren. „Wenn es heute nach 25 Jahren kriselt, denken viele: Noch mal 25 oder 30 Jahre halte ich nicht aus“, sagt Hahlweg.

Auch gesellschaftlich habe sich vieles verändert: So war für viele Paare eine Trennung aus religiösen Gründen keine Option. Seit Jahren ist die Religiosität in Deutschland allerdings rückläufig.
Auch die Rolle der Frau hat sich verändert: Bis 1958 konnte der Mann noch eigenständig die Anstellung der Frau kündigen. Sogar bis 1977 musste er zustimmen, wenn seine Frau arbeiten gehen wollte.
Heute können Frauen in und außerhalb einer Beziehung gut auf eigenen Füßen stehen. Die Zahl der Zweckehen ist damit zurückgegangen – und ebenso die Hürden für eine Trennung.

Viele Beziehungen scheitern an der gemeinsamen Kommunikation. Lesen Sie hier acht Tipps für eine gelungene Kommunikation in Partnerschaften.

Liebe > Zweck

Die Gesellschaft sah vor knapp sieben Jahrzehnten – als Karl-Heinz und Renate Lang zusammengekommen sind – anders aus. Ob man ihre Beziehung damals auch zweckmäßig sehen konnte? Durchaus. „Als bekannt wurde, dass Renate und ich zusammen sind, sagte mein Vater zur Mutter Wöhrle: Unsere Kinder arbeiten beide in Handwerksberufen und kommen aus einfachen Familien. Ich glaube, dass das ganz gut passt“, erinnert sich Karl-Heinz Lang.
Dennoch stand für die beiden von Beginn an nicht der Zweck im Mittelpunkt der Beziehung, sondern die Liebe zueinander. 1960 haben sie geheiratet. Sechzig Jahre später fällt es ihnen leicht, Bilanz zu ziehen: „Meine Frau ist das größte Glück in meinem Leben“, sagt KarlHeinz Lang. „Und mein Mann ist mein größtes Glück. Ist das nicht schön?“, ergänzt seine Frau Renate. Es mag kitschig klingen – aber man spürt sofort: Es stimmt. Glück – für die meisten Paare bedeutet eine romantische Beziehung genau das.

Laut einer Studie der UN führen mehr als 90 Prozent aller Menschen weltweit zumindest einmal im Leben eine intime Beziehung – schlicht, weil wir Menschen uns danach sehnen. „Wir sind soziale Wesen und haben bestimmte Bedürfnisse, die nur eine Beziehung stillen kann“, erklärt Hahlweg.

„Wir brauchen in unserem Leben schlicht jemanden, mit dem wir Gefühle und Zärtlichkeiten austauschen können, der uns Sicherheit gibt und uns in schweren Phasen unterstützt. Nicht zuletzt wollen viele von uns Kinder haben und sie mit einem liebevollen Partner gemeinsam großziehen. Deshalb steckt die Suche nach einer intakten Partnerschaft schon aus Evolutionsgründen in uns.“

Zahlreiche Umfragen zeigen, dass Liebe, Partnerschaft und Familie die zentralen Faktoren für unser Wohlbefinden sind – noch deutlich vor einem hohen Einkommen, dem Traumjob und sogar noch vor persönlicher Gesundheit. Gerade aufs Gesundheitskonto zahlt aber auch eine intakte Beziehung ein. Das Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels kam in einer Studie aus dem Jahre 2008 zu dem Ergebnis, dass eine Scheidung die Lebenserwartung um mehrere Jahre senkt – vor allem dann, wenn man sich danach nicht neu verpartnert. Glückliche Beziehungen halten also sowohl geistig als auch körperlich fit.

5 : 1 = Zufriedenheit

Die Kernfrage lautet nun: Was ist das Erfolgsrezept für eine glückliche Beziehung? Laut Familie Lang geht es vor allem um Toleranz und Humor – und darum, miteinander zu

Fünf verschieden gerahmte Bilder hängen an einer blau-weiß-tapezierten Wand.

Familie Lang teilt viele gemeinsame Erinnerungen. © GettyImages/jayk7, Thodsapol Thongdeekhieo/EyeEm, Miss Pearl

kommunizieren: „Bei vielen Paaren beklagen die Frauen, dass die Männer nicht mehr mit ihnen reden. Bei uns ist es das Gegenteil. Meine Frau meint oft zu mir: Für heute hast du dein Pensum an Worten schon gesprochen“, sagt Karl-Heinz Lang augenzwinkernd.
In seinem Spaß steckt mehr als ein Quäntchen Wahrheit: In der Kommunikation liegt ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer Partnerschaft, gerade in stressigen Zeiten. Die gab es auch bei Familie Lang in den vergangenen Jahrzehnten. Wirtschaftliche Unsicherheit, zu kleine Wohnungen, zu lange Arbeitszeiten. Der schlimmste Moment: Als einer ihrer Söhne neun Jahre alt war, erlitt er beim Treppensturz einen lebensgefährlichen Schädelbruch. So ein Trauma kann eine Beziehung zerrütten. Familie Lang ist allerdings gestärkt daraus hervorgegangen – weil sie gemeinsam an ihrer Beziehung gearbeitet haben. Und Arbeit ist hier genau das richtige Wort.

Wir brauchen in unserem Leben schlicht jemanden, mit dem wir Gefühle und Zärtlichkeiten austauschen können, der uns Sicherheit gibt und uns in schweren Phasen unterstützt.“ Prof. Em. Dr. Kurt Hahlweg

„Eine glückliche Beziehung fällt nicht vom Himmel“, sagt Hahlweg. „Es geht darum, auch im Alltag daran zu arbeiten. Auch schon, bevor es kriselt.“ Ein aufmunterndes Wort, ein Lächeln, eine Umarmung – es müssen keine großen Dinge sein, die man seinem Partner schenkt.
Leider sinkt in vielen Beziehungen die Anzahl der positiven Rückmeldungen an den Partner im Vergleich zu den negativen. Dabei liegt laut Studien des US-amerikanischen Psychologen John Gottman die perfekte Quote zwischen positiven und negativen Interaktionen bei fünf zu eins. „Sprich: Wer einmal mit mir meckert, muss mir dafür fünfmal etwas Liebes tun, damit ich mich wohlfühle. Natürlich führt keiner darüber eine Strichliste. In intakten Beziehungen geschieht die Quote ganz von allein“, sagt Hahlweg. „Kommt man an einen Punkt, an dem es mal nicht so gut läuft in der Beziehung, kann man allerdings auch versuchen, den Positiv-Wert zu seinen Gunsten zu beeinflussen – etwa mit einem Verwöhnungstag oder indem man dem Partner bewusst ein Lob ausspricht.“

Und wenn doch gestritten wird? Dann geht es um Akzeptanz dem anderen gegenüber und darum, zu zeigen, dass man die Krise gemeinsam bewältigen will. Das geht auch, indem man klare Kommunikationsregeln einhält. „Solche Regeln muss man sich bewusst machen. Sie gelten übrigens nicht nur in romantischen Partnerschaften, sondern auch in der Beziehung zu unseren Kindern, in Freundschaften oder im Büro“, sagt Hahlweg.

Einen Weg, das richtige Miteinander zu lernen, sieht Hahlweg in wissenschaftlich fundierten Präventionsprogrammen, etwa Kommunikationstrainings. Auch Smartphone-Apps für Paare seien hilfreich. In der kostenlosen App Paaradis beispielsweise können Partner sich gegenseitig Komplimente machen, einen gemeinsamen Terminkalender führen oder mithilfe angeleiteter Fragen Konflikte lösen, bevor diese eskalieren. „Die Programme zeigen oft auf spielerischem Weg, wie ich eine Beziehung glücklich halten kann“, sagt Hahlweg.

1 + 1 = ♥

Renate und Karl-Heinz Lang konnten mehr als sechs Jahrzehnte ihre Beziehung glücklich halten. 2020 haben sie diamantene Hochzeit gefeiert. Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Alles war gut. Und alles ist gut. „60 Jahre Ehe. Das ist schon was. Unsere fünf Kinder haben mittlerweile auch liebe Partner gefunden und bringen uns nun ihrerseits neues Kinderlachen ins Haus“, sagt Karl-Heinz Lang.
Ihr neckisches Miteinander haben sie in all den Jahren beibehalten. Ein flotter Spruch hier, eine kesse Antwort da. Und im nächsten Moment folgt großes Lob: für Renates fabelhaften Hefezopf, von dem Karl-Heinz auch nach so vielen Jahren nicht genug bekommen kann. Oder für sein ehrenamtliches Engagement in der Kirche, das Renate schon immer bemerkenswert fand. Geschaffen haben sie dieses große und gute Miteinander, weil sie gemeinsam dafür gearbeitet haben – und weil Emma Wöhrle 1954 zwei Ladenräume ihres kleinen Friseursalons renovieren lassen wollte.

*Die Redaktion hat die Namen von Renate und Karl-Heinz Lang geändert.

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