
Die Kunst der Freundschaft
Asterix und Obelix, Harry Potter und Hermine Granger oder die Clique aus der Kultserie Friends: Im Fernsehen halten Freundschaften ein Leben lang. Aber wie ist das im realen Leben? Psychologe Dr. Wolfgang Krüger über die Kunst der Freundschaft.
Herr Dr. Krüger, warum sind gute Freunde so wichtig für uns?
Freundschaften sind wichtig für unsere Lebensqualität. Eine australische Langzeitstudie zeigt sogar: Mit guten Freunden leben wir länger. Denn Menschen mit intensiven freundschaftlichen Verbindungen hatten eine um mehr als 20 Prozent höhere Lebenserwartung als die ohne ein solches Netzwerk.
Was zeichnet eine gute Freundschaft aus?
In einer guten Freundschaft kann man so gut wie alles über sich erzählen, auch sehr persönliche Dinge. Man fühlt sich dabei vom Anderen verstanden, unterstützt und man weiß, dass auf den Anderen Verlass ist. Marlene Dietrich hat einmal gesagt, gute Freunde kann man auch um drei Uhr nachts anrufen. Ich nenne diese Art der Freundschaft Herzensfreundschaft.
Wie findet man solche Herzensfreunde?
In der Regel haben wir höchstens drei Herzensfreunde, denn sie sind selten. Sie zu finden ist wie die Suche nach einem Diamanten. Meist beginnen sie in Gruppen, in denen man ähnliche Interessen hat. Man geht auf den oder die anderen zu und beginnt ein persönliches Gespräch.
Freundschaften sind wichtig für unsere Lebensqualität.
Kann ich auch im Erwachsenenalter noch solche Freunde finden?
Natürlich, allerdings braucht es dazu eine gewisse Neugier. Die Entwicklungsforscherin Simone de Beauvoir hat festgestellt, dass viele zum Ende ihrer Vierzigerjahre zu dem Ergebnis kommen, dass ihre bisherigen Bemühungen um Freundschaften vergeblich waren. Oft, weil sie zu sehr enttäuscht und verletzt wurden. Darum fehlt vielen Menschen die Aufgeschlossenheit für die Außenwelt, die es für eine neue Freundschaft braucht.
Ist jeder Mensch zu einer Herzensfreundschaft fähig?
Ja, vorausgesetzt, dass ich eine Freundschaft mit mir selbst pflege. Dann kenne ich meine eigenen Gefühle und Empfindungen, kümmere mich gut um mein eigenes Leben und habe ein gutes Selbstwertgefühl. Das ist der seelische Resonanzboden, damit ich intensive Beziehungen mit anderen eingehen kann.
Zwei Drittel aller Frauen, aber nur ein Drittel der Männer haben eine Herzensfreundschaft.
Gibt es Freundschaft auf den ersten Blick?
Die gibt es in der Tat. Allerdings ist der Beginn einer Freundschaft oft langsamer als der einer Partnerschaft, bei der wir uns oft Hals über Kopf in das Gegenüber verlieben. Freundschaften sind eine Beziehung mit einem kleinen Abstand, sodass sie oft vernünftiger und damit auch beständiger als Liebesbeziehungen sind.
Warum halten manche Freundschaften ein Leben lang und andere schlafen ein?
Eine Studie des Soziologen Gerald Mollenhorst von der Universität Utrecht besagt, dass innerhalb von sieben Jahren die Hälfte aller Freundschaften scheitern. Es bleiben nur jene Freundschaften bestehen, die eine große Innigkeit haben und die wir intensiv pflegen. Dazu gehört, dass wir viel über uns erzählen, Vertrauen entwickeln und auch viel miteinander erleben. Meiner Erfahrung nach halten solche Herzensfreundschaften durchschnittlich mehr als 30 Jahre.
Freundschaften leben vor allem durch intensive Gespräche.
Das ist ganz schön lange. Wie hält man da eine Freundschaft lebendig?
Freundschaften leben vor allem durch intensive Gespräche. Diese gelingen, indem zunächst das eigene Leben lebendig bleibt. Dann haben wir immer wichtige Themen, die wir mit Freunden teilen können. Doch es ist auch eine Kunst, Freunden immer wieder ungewöhnliche Fragen zu stellen. Etwa: Gingen deine Lebensziele in Erfüllung? Oder: Bist du glücklich?
Gibt es falsche Freunde – und wie erkenne ich sie?
Es gibt schwierige Freunde, die immer nur nehmen und nichts geben, die das weitererzählen, was wir ihnen anvertraut haben, die wenig Fragen stellen und immer nur von sich erzählen. Bei diesen Freunden fühlt man sich nicht wohl, man vertraut ihnen nicht, fühlt sich ausgenutzt. Man sollte also auf sein Bauchgefühl hören und eine solche Freundschaft im Zweifelsfall beenden.
Busenfreundinnen oder Männerfreundschaften: Unterscheidet sich die Freundschaft zwischen Männern und Frauen?
Eine von mir durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass zwei Drittel aller Frauen, aber nur ein Drittel aller Männer eine Herzensfreundschaft haben. Männern fällt es oft schwer, über sich zu erzählen, und sie rivalisieren viel, weil sie gern über ihre Erfolge berichten. Frauen hingegen neigen weniger zu Prahlereien. Das ist ein Grund, wieso Männer gerne mit Frauen befreundet sind.
Können auch Freundschaften zwischen Männern und Frauen gut gehen?
Eine Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau kann meiner Erfahrung nach gelingen, wenn eine von drei Voraussetzungen erfüllt ist. Erstens: Er ist in einer festen Bindung und ist treu, zweitens: Sie ist nicht sein Typ oder drittens: Er ist fähig, eine sehr intensive Bindung durch tiefe emotionale Gespräche herzustellen. Diese Faktoren beziehen sich zunächst auf den Mann, denn die Bereitschaft, eine Freundschaft einzugehen, ist bei Frauen erheblich größer. Das zeigt vor allem die Zahl der Freundschaften, die von Frauen gepflegt werden.
Für die Liebesbeziehung sind innige Freundschaften immer eine Bereicherung.
Stehen sich eine Herzensfreundschaft und die große Liebe im Weg?
Nein, sie ergänzen sich sogar. Es mag zwar sein, dass manchmal die Herzensfreundin oder der Herzensfreund vorübergehend eifersüchtig ist, wenn man eine Partnerschaft eingeht und nun nur noch von „ihm“ oder „ihr“ berichtet. Aber für die Liebesbeziehung sind innige Freundschaften immer eine Bereicherung, weil dies die Partnerschaft von zu hohen Ansprüchen entlastet und weil jeder Partner selbstständiger ist, was alle Machtprobleme und Streitigkeiten mildert.
„Lass uns Freunde bleiben nach der Trennung“ – kann das gut gehen?
Das geht zunehmend, wenn man sich während der Trennung nicht zu sehr verletzt hat und wenn etwas Zeit verstrichen ist. Allerdings wird es nie eine ganz „normale“ Freundschaft. Man kennt sich gut, hatte einmal eine Liebesbeziehung und man will nicht hören, wie es ihr oder ihm jetzt mit dem oder der Neuen geht…
Freundschaften sind eine Beziehung mit einem kleinen Abstand.
Wer ist Ihr Herzensfreund?
Ich kenne einen Kollegen schon seit 40 Jahren. Wir reden über alles, haben viel erlebt. Wir beide haben uns von Partnerinnen getrennt, sind neue Beziehungen eingegangen, mussten schwere Krankheiten bewältigen und sind so zusammengewachsen, dass wir uns inzwischen als Brüder bezeichnen. Jede Woche treffen wir uns am Sonntagnachmittag in einem Café und telefonieren außerdem mindestens einmal im Laufe der Woche.

© Gerald Wesolowski
Dr. Wolfgang Krüger ist Diplom-Psychologe, Freundschaftsforscher und Buchautor. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt er sich mit den Themen Freundschaft und Beziehungen. Mehr Informationen unter: www.dr-wolfgang-krueger.de
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