
Bleibt alles anders
Jeder Zweite ist unzufrieden mit seinem Job. Die meisten ändern nichts an dieser Situation – manche schon.
Fragt man kleine Jungs, was sie später mal werden wollen, antworten viele „Fußballer, Polizist oder Pilot“. Bei den Mädchen stehen die Berufe Tierärztin, Kinderkrankenschwester oder Lehrerin an der Spitze der Berufswunschliste. Doch dann holt einen oft die Realität ein, die Träume platzen und man findet sich plötzlich in einem Büro wieder und tippt Excel-Tabellen in den Computer. Wenn Frust statt Freude den Arbeitsalltag bestimmt, führt man irgendwann eine unbefriedigende Existenz. Das nagt am Selbstwertgefühl und manchmal auch an der Gesundheit. Doch die wenigsten wagen einen Neuanfang. Viel zu riskant, zu teuer, zu mühsam. Deshalb bleibt oft alles beim Alten.
Alles auf Anfang
Dabei geht es auch anders. Denn es gibt sie wirklich, die mutigen, die verrückten, die erfolgreichen Berufswechsler. Papst Franziskus jobbte in seiner Jugend als Rausschmeißer in einer Bar, dann studierte er Chemietechnik und trat später dem Jesuitenorden bei. Von seinen Erfahrungen mit den Störenfrieden in der Bar zehrt er heute noch, wenn es darum geht, schwierige Menschen zur Kirche zurückzuführen, sagt er. Im Vergleich dazu erscheint der Werdegang von Sängerin Nena geradezu brav, denn sie war Goldschmiedin, bevor sie ins Rampenlicht trat. Sie wollte sich ihren Traum verwirklichen, auf der Bühne zu stehen. Natürlich geht das auch andersherum: Der Fußballprofi Knut Reinhardt hängte die Stollenschuhe samt VIP-Status an den Nagel, um Lehrer zu werden. Heute arbeitet er an einer Dortmunder Grundschule in einem Problembezirk und liebt seinen neuen Job. Man muss aber nicht zwingend Sportler, Künstler oder Promi sein, um den Berufswechsel zu schaffen. Auch ganz normale Menschen wagen den Sprung, weg von ihrem bisherigen Alltag und hinein in eine neue Aufgabe. Manchmal erfordert es Mut, Durchhaltevermögen und etwas Gespür für den richtigen Zeitpunkt, um seinen Job gegen die Berufung einzutauschen. Doch es lohnt sich.
„Neues gibt dir neue Perspektiven.“
Jürgen Mädlers Traum war es immer, Lkw zu fahren. Er mag die großen Fahrzeuge und die Freiheit der Straße. Doch der Jobeinstieg klappt nicht sofort, deshalb wird er zunächst Maurer. Erst mit 38 Jahren schafft er es ins Führerhaus eines Trucks. Er liebt seinen Job, doch Rückenprobleme und der Stress machen ihm zu schaffen. Schließlich muss er den Beruf aufgeben und bezieht Hartz IV. Das Arbeitsamt vermittelt ihm eine Stelle – aus einer anderen Zeit: Im baden-württembergischen Meßkirch baut der Verein „Campus Galli“ ein mittelalterliches Kloster mit den Werkzeugen dieser Epoche. Im Jahr 2012 fängt Mädler dort als Schindelmacher an, das Handwerk lernt er von einem der Mitarbeiter und einem erfahrenen Schindelmacher aus der Nähe. Heute fertigt Mädler Schindeln aus Baumstämmen, die er vorher vierteilt, schält und bearbeitet. „Ich bin mit Leib und Seele dabei“, sagt der 57-Jährige.
Die Arbeit in der freien Natur macht viel Spaß und zu wissen, dass wir hier – soweit wir können und dürfen – vom Werkzeug bis zum Gebäude alles selber machen, ist toll und macht mich glücklich.
„Zweifel besiegen und weitergehen.“
Mit achtzehn Jahren wird Beate Stelzer Krankenschwester – weil ihre Mutter es so will. Stress, arrogante Ärzte und schwierige Patienten prägen ihren Alltag. Sie ist unzufrieden und besinnt sich auf ihren Jugendwunsch, mehr als nur einen Beruf im Leben auszuüben. Trotz ihres Alters von 35 Jahren und viel Gegenwind aus ihrem Umfeld kündigt sie und holt das Abi nach. Sie will Kapitänin werden – ihr Traumberuf aus Kindheitstagen. Im Nautik-Studium machen die Kommilitonen Witze über sie. Doch sechs Semester später hält sie das Diplom in der Hand und gehört zu den Jahrgangsbesten. „Quereinsteiger sind meist hochmotiviert, weil sie schon einiges durchgemacht und ein Ziel vor Augen haben“, sagt die heute 52-Jährige. Inzwischen fährt sie als Erste Offizierin auf dem Containerschiff „Cap San Vincent“ für die Hamburg Süd. Ihr Tipp:
Es ist nie zu spät, neu anzufangen. Und der richtige Moment dafür ist – jetzt.
„Für deine Träume musst du kämpfen.“
Jugendlicher entdeckt Jan Steinbächer seine Leidenschaft für Kampfsport. Er trainiert Wing Tsun und Muay Thai. Im Studium muss er seine Hobbys aus Zeitgründen jedoch aufgeben. Nach dem Abschluss arbeitet er als Investmentbanker in Frankfurt am Main und verdient gut. Doch der Stress und der Erfolgsdruck machen ihn unglücklich, sein Alkoholkonsum nimmt stetig zu. Schließlich zieht er die Reißleine. Er besinnt sich auf seine Träume, kündigt und reist nach Thailand und Bali. Dort trainiert er ein Jahr lang Kampfkünste und nimmt an einem Profi-Wettkampf im Mixed Martial Arts teil. „Ich habe mich damals so wohl gefühlt wie noch nie in meinem Leben“, erzählt er. „Ohne den Ausstieg wäre ich heute vielleicht tot, zumindest aber alkoholabhängig und ein Schatten meiner selbst.“ Inzwischen ist er selbstständiger Finanzberater und hilft als Coach Menschen, die ihr Leben ändern wollen. Kampfsport praktiziert er weiterhin.
Wichtiger als Pokale sind für mich die Werte und Erkenntnisse, die ich daraus ziehe.